Entschuldigen Sie die Störung! Ideen für den Wald der Zukunft

Stürme, Borkenkäfer und invasive Schadorganismen prägen seit Jahren den Alltag der Forstwirtschaft. Beim BFW-Praxistag 2025 stellten Experten Zukunftsideen vor.
„Es ist schon wieder was passiert, so beginnen die Brenner-Krimis von Wolf Haas. Die Forstbranche kennt das nur zu gut. Eine Störung nach der anderen“, sagte Peter Mayer, Leiter des Bundesforschungszentrums für Wald (BFW), zur Begrüßung. Das BFW sieht sich in der Pflicht, Waldbewirtschaftern Empfehlungen und innovative Werkzeuge zu bieten. Was sich beim BFW-Praxistag in Wien (16.1.2025) mit 80 Teilnehmer:innen wieder bestätigte.
Borkenkäferschäden auch in höheren Lagen
Gernot Hoch, Leiter des Instituts für Waldschutz, zeigte, dass die jährliche Schadholzmenge durch Borkenkäfer mit der Jahresmitteltemperatur steigt. In den meisten Teilen Österreichs entwickeln sich drei Generationen, „nur in den höchstgelegenen Fichtenwäldern im Gebirge gibt es nur eine Generation, das wird uns aber nicht retten“, meinte Hoch. Höhere Herbsttemperaturen fördern diese Entwicklung. Aktives Borkenkäfermanagement ist daher von größter Bedeutung.
Hoch stellte das Borkenkäfer-Dashboard vor, das die Maßnahmenplanung erleichtert, sowie Methoden zur Behandlung von Käferholz, wie die motormanuelle Entrindung, die im Jungkäferstadium wirkt. Auch die Rindenbeschädigung mit einem konventionellen Harvesterkopf ist effektiv: Der Stamm wird zweimal durchlaufen, einmal um 90° gedreht. Die Harvesterentrindung wirkt sehr gut gegen die weißen Entwicklungsstadien. Durch eine Abdeckung mit Bauvlies lässt sich der Ausflug von Käfern verhindern.

Ökosystemdienstleistungen für künftige Generationen erhalten
Silvio Schüler erklärte das Konzept der Pränaturierung: Eine Rückkehr zu früheren Waldzuständen ist wegen des Klimawandels kaum möglich. Es geht um die künftigen Wälder. „Weniger zurückschauen, sondern über Leistungen nachdenken, die die Gesellschaft künftig von den Wäldern erwartet“, sagte Schüler, Leiter des Instituts für Waldwachstum, Waldbau und Genetik des BFW. Es geht um Ökosystemdienstleistungen wie Biodiversität, Holznutzung, Schutz und Kohlenstoffspeicherung.
Die Wahl geeigneter Herkünfte und die richtige Baumartenmischung, abgestimmt auf den Standort, sind entscheidend. Eine wichtige Rolle spielt die „unterstützte Wanderung“ (assisted migration), bei der Saat- und Pflanzgut aus Regionen mit klimatischen Bedingungen, die für Mitteleuropa prognostiziert werden, getestet werden. Besonders wichtig ist das für Nadelhölzer und Eichen, weniger für die Buche.
Erfolgreiche Selektionszüchtung
Waldbewirtschafter:innen wünschen sich „trockenheits- und borkenkäfertolerante Fichten“. Florian Irauschek von der Abteilung Herkunftsforschung & Züchtung des BFW präsentierte verschiedene Forschungsansätze. Ziel ist es, das Anpassungspotential der Fichte zu erforschen und die Unterschiede in der Reaktion auf Trockenheit und Borkenkäferbefall zwischen verschiedenen Herkünften und Einzelbäumen messbar zu machen. Auch Nachkommen von Bäumen, die einzeln in Borkenkäferkalamitäten überlebten, sogenannte Plusbäume, wurden untersucht. Es zeigte sich, dass diese eine hohe Streuung bei der Trockentoleranz im Vergleich mit Standardherkünften aufweisen.
Gruppiert man sie nach Trockentoleranz und Trieblänge, ergibt sich eine deutliche Differenzierung in der Trockenheitstoleranz, die auch durch Genexpression bestätigt werden kann. Generell vermutet man Anpassungen an Trockenheit bei Fichtenherkünften aus Südost-Europa. Dazu werden einerseits zur langfristigen Beobachtung innovative Herkunftsversuchsflächen im Wald angelegt, andererseits werden die Auswirkungen von Trockenheit auf Fichtensämlinge in einem automatisierten High-Tech Analyseverfahren unter vollkontrollierten Bedingungen getestet.

Steigenden Bedarf an Mischbaumarten abdecken
Heino Konrad und Aglaia Szukala vom Institut für Waldbiodiversität und Naturschutz des BFW zeigten anhand der Pflanzenproduktionszahlen aus Österreichs Forstbaumschulen, wie wichtig die Zusammenarbeit zwischen Baumschulen und Forstbetrieben ist, um die langfristige Versorgung mit Forstpflanzen zu sichern. 2021/22 wurden 17 Millionen Nadelholzsämlinge verkauft, mit fallender Tendenz. Im Gegensatz dazu stieg die Anzahl verkaufter Laubholzsämlinge auf knapp über 4 Millionen. Waldbewirtschafter müssen die Verjüngung langfristig planen, und eine zeitgerechte Bedarfsmeldung ermöglicht den Baumschulen eine bessere Planung. Mischbaumarten erhöhen die Stabilität der Wälder. Heino Konrad empfiehlt: „Besser ist es, auf heimische Arten zurückzugreifen, denn sie haben einen geringen Einfluss auf das Ökosystem Wald. “ Sie stellten Versuche zu Baumarten mit guten Prognosen unter Klimawandelszenarien vor, wie Eichen, Wildobst- und Eschen-Arten.
In der Diskussion verdeutlichten Gerhard Grüll, Institutsleiter der Holzforschung Austria, und Maria Kiefer-Polz von European Hardwood Production, einem großen Laubholz-Sägewerk, wie neue Verwendungsmöglichkeiten für Nadel- und Laubhölzer entwickelt werden. Zu Tanne, Douglasie, Birke, Buche und Eiche laufen zahlreiche Untersuchungen, ebenso forscht man an Einsatzmöglichkeiten für minderwertige Holzqualitäten. „Wertholz braucht eine gute Waldpflege, denn sie bestimmt die Qualität. Weil Laubhölzer einen höheren Astanteil haben, fällt automatisch aber ein höherer Anteil schlechterer Holzqualität an, für den neue Wege zur stofflichen Verwertung erforscht werden“, erklärt Grüll.
Kiefer-Polz analysierte anhand der Warenströme beispielsweise die Verschiebung der Mengen von Nadelholz zu Laubholz. „Viel Rundholz wird nach Asien exportiert, das ist langfristig nicht nur für uns Säger herausfordernd, es wird die gesamte Wertschöpfungskette und den Arbeitsmarkt betroffen sein“, berichtete Maria Kiefer-Polz. Viel Esche geht nach Vietnam, wird dort geschnitten und weiter nach China verkauft. Europa brauche eine starke Wertschöpfung. Die anfängliche Wertschöpfung (beim Sägen, Sortieren und Hobeln) müsse in Europa bleiben.
Grüll und Kiefer-Polz betonten, dass die Sägeindustrie noch enger mit der Forstwirtschaft zusammenarbeiten müsse und umgekehrt. „Weil die Mischwälder, die heute gepflanzt werden, in 60 bis 80 Jahren einen Absatzmarkt und Verwendungsmöglichkeiten benötigen“, meinte Peter Mayer abschließend.
Linktipps
www.borkenkaefer.at
Borkenkäfer-Dashboard: https://ifff-riskanalyses.boku.ac.at/borkenkaefer_dashboard.htm
www.herkunftsberatung.at
www.klimafitterwald.at
Folien zum Herunterladen
Vortrag 1 Neue Werkzeuge für das Borkenkäfermanagement – Gernot Hoch, Bernhard Perny
Vortrag 2 (P)ränaturierung: Zurück zu den Wäldern der Zukunft (Vortrag 2a, Vortrag 2b) – Silvio Schüler, Stefan Ebner, Claudia Fetscher u.a.
Vortrag 3 Trockenheits- und käferresistente Fichten für Österreich? Neue Ansätze zur Selektion und Analyse von Fichtenherkünften – Florian Irauschek
Vortrag 4 Den Wald neu aufmischen. Unbekanntere Baumarten fördern und nachhaltige Versorgung mit Vermehrungsgut sicherstellen. – Anton Aigner, Heino Konrad, Aglaia Szukala, Lila Afifi, Gregor M. Unger, Silvio Schüler, Stephanie Salzmann