Bewusstsein für den Waldboden schaffen
Als Grundlage der klimafitten Waldbewirtschaftung ist er unentbehrlich: der Waldboden. Wie man „waldbodenbewusst“ wird, um den Wald auch künftig in allen seinen Wirkungen zu erhalten.
Kaum etwas sollte so sehr im Rampenlicht stehen wie der Waldboden. Als Kohlenstoffspeicher hilft er gemeinsam mit dem Wald, Treibhausgase zu speichern, um damit das Klima zu regulieren, durch seine Fähigkeit Wasser aufzunehmen, wirkt er ganz wesentlich bei der Verringerung von Naturgefahren mit. Seine Filterfunktion sorgt für sauberes Trinkwasser, auch eine Kühlfunktion hat er (nicht nur der Wald selbst), so nebenbei. Eine Bühne zu seinem wissenschaftlichen Austausch bietet die länderübergreifende Fachtagung Wald.Boden. Klima.Wandel, die durch das BFW und Partner organisiert wird. Austragungsort ist das Bildungshaus St. Arbogast in Götzis (Vorarlberg), wo sich die federführenden Experten und Expertinnen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz über den Zustand und die Bewirtschaftungsstrategien des Waldbodens im Klimawandel austauschen.
Zwei wichtige Anlässe gibt es dafür. In Österreich, Deutschland und der Schweiz ist der Waldboden zum Boden des Jahres 2024 ausgerufen worden, um auf seine unschätzbaren Funktionen aufmerksam zu machen. Darüber hinaus läuft seit 2023 das Interreg-Projekt Winalp 21, das sich zum Ziel setzt, die wissenschaftlichen Grundlagen für die Bewirtschaftung von Bergwald in den nördlichen Ostalpen unter den Verhältnissen des Klimawandels zu bearbeiten. Die Unwetterkatastrophen in Österreich haben wieder bewusst gemacht, wie rasch Naturgefahren in Form von Hochwasser oder Rutschungen entstehen und eine ernsthafte Gefahr darstellen können. Der intakte, resiliente Schutzwald auf einem klimafit bewirtschafteten Waldboden kann dabei einen wesentlichen Beitrag leisten.
Komplexität & Waldbodenbewusstsein
Zwei Einflussbereiche, die ineinanderwirken und die Berechnung von Eintrittswahrscheinlichkeiten so komplex machen: Der Klimawandel mit seinen extremen Wetterereignisse bringt eine der wichtigsten Eigenschaften des Bodens, die Wasserspeicherkapazität, bisweilen weit über seine Grenzen. Versiegelung, Verdichtung von Boden und Verlust der fruchtbaren Humusauflage durch verschiedene Einflussfaktoren verringern zusätzlich seine Fähigkeit, Wasser aufzunehmen und in tiefere Schichten versickern zu lassen. Deshalb ist der „waldbodenbewusste Umgang“ so ein Schlüsselthema. Was beinhaltet er? Eine klimafitte Waldbewirtschaftung mit standortgeeigneten Baumarten, die Rauigkeit und der Bewuchs von Waldbodenoberflächen und ein bodenschonender Umgang bei der Bewirtschaftung.
Wenn sich Waldboden verdichtet
Bodenverdichtung durch Befahrung mit schweren Geräten, Viehtritt oder intensive Freizeitaktivitäten können Veränderungen der Bodenstruktur nach sich ziehen. Es dringt weniger Wasser in den Boden, wodurch den Pflanzen nicht mehr genügend davon zur Verfügung steht. Der Bodenluft- und der Wasserhaushalt des gesamten Ökosystems werden gestört, die Durchwurzelbarkeit für die Vegetation erschwert sich. Durch Verdichtung betroffen sind zudem die Treibhausgas-Dynamik und der Lebensraum für Bodenorganismen. Auch seine Rolle als „Klimaanlage“, die eng mit der Wasserspeicherfähigkeit zusammenhängt, ist mit der Verdichtung reduziert.
Viele Faktoren können eine Verdichtung begünstigen: Je feuchter ein Boden, desto leichter lässt er sich verdichten. Nicht nur die Bodenart, auch die Korngröße und ihre Aggregation, sprich ihr Zusammenhalt, spielen eine Rolle. Dadurch, dass Wasser durch die Verdichtung nicht in tiefere Schichten versickern kann, verbleibt es zu einem überwiegenden Teil an der Oberfläche und fließt in höherer Geschwindigkeit in Form des „gefürchteten“ Oberflächenabflusses ab. Da die Fließwege vom Oberflächenabfluss sehr verästelt sind, können seine Ereignisse nur schwer eingeschätzt werden.
Fit für den Klimawandel: Winalp 21
Die Länder Tirol, Vorarlberg, Oberösterreich, Bayern und wissenschaftliche Projektpartner haben sich zusammengeschlossen, um im Interreg-Projekt Winalp 21 den Bergwald in dieser Region für die klimatischen Anforderungen zu rüsten. Es geht um die Dynamisierung von Standortfaktoren und Waldtypen anhand von Klimaszenarien. Aus diesen Daten werden aktuelle und zukünftige Waldtypen modelliert, sensitive Standorte identifiziert und waldbauliche Strategien abgeleitet. Auch das erwartete Risiko für den Anbau mit bestimmten Baumarten soll neu bewertet werden, das Klima noch stärker Berücksichtigung finden. „Zurzeit werden im Projekt die primären Einflussfaktoren eines Waldstandortes sowohl auf Punktebene als auch in der Fläche abgebildet. Dieser Prozess sollte in den kommenden Monaten abgeschlossen sein, um in weiterer Folge klimadynamische Waldtypen abgrenzen zu können“, erklärt der BFW-Projektleiter Klaus Klebinder.
Eine besondere Herausforderung stellt die Tatsache dar, dass in einzelnen Ländern auf eine bestehende (statische) Waldtypisierung aufgebaut und der Aspekt des Klimawandels ergänzt wird. Dabei ist wichtig, dass die bestehenden und in der Praxis gut etablierten Werkzeuge der Forstplanung sinnvoll und behutsam erweitert werden. Einige „Nebenprodukte“ der Waldtypisierung, wie beispielsweise die Speicherkapazität des Bodens, können auch für spezielle Fragestellungen der Naturgefahrenprävention herangezogen werden. Eine neue Datengrundlage für die Abschätzung der Hochwassergefährdung wäre damit möglich. In Österreich liegen bislang keine flächendeckenden Waldbodendaten mit entsprechenden bodenhydrologischen Kennwerten vor.
Holzerntemethoden im Fokus: das Projekt HOBO
Neben der schützenden Funktion von Wäldern ist es vor allem die Nutzfunktion, die als Waldwidmung im Forstgesetz verankert ist. Mit der zunehmend mechanisierten Waldarbeit durch schwere Geräte wie Harvester und Forwarder, ist die Sicherheit für die dort arbeitenden Menschen wesentlich gestiegen. Doch nicht jede Holzerntemethode eignet sich für alle Standorte. „Die besonders produktiven, oft schweren Böden der Flysch- und Molassezone zum Beispiel sind verdichtungsanfällig und stellen daher für die Mechanisierung eine Herausforderung dar. Sie haben häufig einen hohen Tonanteil“, erklärt die Bodenexpertin Barbara Kitzler. Aber vor allem der Klimawandel spielt hier eine große Rolle, da die Böden im Winter nur mehr selten frieren, oder Schadholz durch Kalamitäten (Käfer, Stürme etc.) jederzeit aufgearbeitet werden müssen und wenig Rücksicht auf die aktuelle Feuchtigkeit des Bodens genommen werden kann.
Barbara Kitzler und ihre Mitarbeiter:innen der Abteilung für Bodenökologie, das Institut für Naturgefahren in Innsbruck und die FAST Traunkirchen arbeiten gemeinsam mit drei BOKU-Instituten (Waldökologie (Lead), Forsttechnik & Alpine Naturgefahren) und den ÖBF am Waldfonds-Projekt HOBO, das sich mit den immer noch unterschätzten Folgen der Bodenverdichtung beschäftigt. Durch Messungen von unterschiedlichen Indikatoren zur Bewertung von Bodenökosystemleistungen, wie Erhalt der Bodendiversität, Pflanzenwachstum, Verhinderung von Erosion, Wasserrückhaltefähigkeit, Kohlenstoffspeicherung und Produktion von Treibhausgasen etc., sollen unterschiedliche forstwirtschaftliche Holzerntemethoden bewertet werden. „Die Indikatoren erlauben eine Aussage über die Auswirkung unterschiedlicher Erntemaßnahmen und deren Verdichtung auf die Bodenfunktionen, den verbleibenden Bestand sowie die Verjüngung“, erklärt sie das Forschungssetting. Auch aus diesem Projekt sollen forstwirtschaftliche Praxishilfen erstellt und verbreitet werden.
Damit der Waldboden wieder ins Rampenlicht kommt.
Wissen zum Vertiefen
Verschafft einen guten Überblick: Blum (2012): Bodenkunde in Stichworten. Borntraeger Verlag.
Bilderreich & für Laien: Don, Prietz (2019): Unsere Böden entdecken – Die verborgene Vielfalt unter
Feldern und Wiesen. Springer Verlag.
Verknüpft ökologische und soziale Entwicklungen: Blum (2019): Boden und globaler Wandel. Springer
Verlag.
Bietet einen guten, leicht verständlichen Einstieg in die Bodenkunde: Stahr et al. (2008): Bodenkunde
und Standortslehre. Ulmer Verlag.
Wissenschaftliches Standardwerk: Scheffer, Schachtschabel (2018): Lehrbuch der Bodenkunde (17. Auflage), Springer Verlag
Ganz aktuell: Gernot Stoglehner (2024): Rettet die Boden. Falter Verlag.
Ein Film über EJP-Soil: https://youtu.be/lxyC5T_kGNU
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